Apex Predator 16.06. - 16.07.2023 Kunsthalle Brennabor Geschwister-Scholl-Straße 12 14776 Brandenburg an der Havel
Die Ausstellung Apex Predator zeigt wichtige Aspekte der heutigen Welt im Zeitalter des Anthropozäns: die Epoche, in der das Gleichgewicht des Planeten durch die menschliche Gier so stark verändert wird, dass es zu einer Bedrohung für uns selbst wird. Ein Apex Predator ist ein Spitzenprädator, ein Raubtier, das an der Spitze der Nahrungskette steht und keine natürlichen Feinde hat. Der Mensch hat sich zu einem solchen Raubtier entwickelt, das alle Prozesse beherrschen will und entschlossen ist, selbst den Tod zu besiegen. Dem selbstgegebenen Recht, alle natürlichen Ressourcen für seine eigenen Bedürfnisse zu bewirtschaften und rücksichtslos auszubeuten, folgen zunehmend katastrophale Auswirkungen. Als Zeugen dieses Frankenstein-Effekts, sehen wir eine Welt, in der sich unsere eigenen Schöpfungen gegen uns wenden, erleben wir derzeit tiefgreifende Veränderungen in unserer Umwelt, den Ökosystemen und der Gesellschaft. Und wenn der Mensch der Schöpfer ist, wer ist dann eigentlich das Ungeheuer?
Während wir heute statistisch gesehen in der sichersten Zeit der Menschheitsgeschichte leben, sind wir gleichzeitig von einem untergehenden Planeten mit drohenden Gefahren wie Umweltzerstörung, Massenaussterben, KI und Biogenetik umgeben. Die Ausstellung eröffnet den lokalen Dialog mit Themen, die derzeit die Realität unserer Existenz global prägen. Die Exponate präsentieren ein Spektrum an visuellen Reizen, die zwischen Spannung und Staunen oszillieren. Während alle Arbeiten eine kritische Perspektive zum Thema eröffnen, mildern die ästhetischen Qualitäten die Aufregung. Die Kunsthalle Brennabor bietet die räumlichen Möglichkeiten, jeder Künstlerin und jedem Künstler einen eigenen Mikrokosmos zur Verfügung zu stellen und damit die Präsentation unterschiedlicher Medien von der Installation bis zur Videokunst zu unterstützen.
Künstler:innen: Nándor Angstenberger Kristian Askelund Nadine Baldow Ulrike Buhl Claudia Chaseling Elena Alonso Fernández Michel Lamoller kennedy+swan Jazoo Yang
NándorAngstenbergers Arbeiten sind organisch wachsende Konstruktionen, die weder Modelle für etwas noch Modelle von etwas sind. Es sind Lebensentwürfe, Vorschläge und Anregungen für Ideen und Raumkonzepte, auch Entwürfe für nicht realisierbare Konstruktionen aus einer Parallelwelt. Seine Materialien sind meistens Fundstücke, liegen Gelassenes, Verlassenes oder Verlorenes. Sie haben Patina, sie tragen erlebte Spuren in Form von Kratzern, Verfärbungen oder Deformierungen, aber diese Lebensspuren machen das Material für ihn erst interessant. Wo unsere Konsumgesellschaft die Verwendung von Produkten durch Wegwerfen beendet, beginnt Nándor Angstenberger einen neuen Kreislauf, durch Eingreifen und Rückführung des Materials als ein essentielles Modul für seine Kunstwerke.
Kristian Askelund konzentriert sich auf die Erforschung der komplexen Beziehung zwischen Natur und menschlichem Eingreifen. Die Ölsandminen von Athabasca im Norden von Alberta, Kanada, sind für ihn von besonderem Interesse. Rohstoffe, die direkt mit den Ölsandminen verbunden sind, sowie Produkte aus dem Ölraffinationsprozess bilden das Rückgrat seines künstlerischen Prozesses. Der Bergbau hat tiefgreifende und schädliche Auswirkungen auf unseren Planeten, vom Verbrauch fossiler Brennstoffe bis hin zu den negativen Einflüssen auf indigene Gemeinschaften und die Zerstörung von Ökosystemen durch seine Abfallprodukte. In seinen Kunstwerken fängt Kristian Askelund diese Dualität ein und weckt ein Gefühl der Dringlichkeit.
Nadine Baldows Praxis ist geprägt von der aktuellen geologischen Ära, die als Anthropozän bekannt ist und in der die Spuren menschlicher Aktivitäten in den Planeten Erde eingebettet sind. Ihre ortsspezifische Installationen TOPOPHILIA thematisiert die Beziehung zwischen Kultur und Natur in den Landschaften Brandenburgs. Die Künstlerin untersucht die Wertschichten in der Landschaft: Die Topografie des Landes, seine Nutzungsschichten und veränderten Behausungen sind mit Gefühlen von Verbundenheit, Zugehörigkeit, Erregung und Entfremdung verbunden. Im Laufe der Zeit bilden diese Einflüsse verschiedene geologische Schichten, wobei jede Schicht die sedimentierten und sich verändernden Werte der kulturellen Kräfte verrät, die sie hervorgebracht haben.
In Ulrike Buhls Werken spielen Rhythmen und musikalische Strukturen, Modulationen der Linien eine große Rolle. Sie hat u.a. Schauspiel und Gesang in Wien, Hamburg und Berlin studiert. In Ulrike Buhls Arbeiten treffen scheinbare Widersprüche wie Mikro- und Makrokosmos, Kunst und Wissenschaft, Natur und Fiktion, Organismus und High Tech aufeinander. Das Verbinden von Widersprüchen findet sich als Hintergrundmotiv in allen ihren Arbeiten wieder. Neben Skulpturen schafft Ulrike Buhl Reliefs, Collagen und Installationen aus außergewöhnlichen Materialien und Techniken.
Claudia Chaseling arbeitet auf traditionellen und geformten Leinwänden und realisiert raumgreifende Wandmalereien, die Spatial Paintings. Mit Pigmenten malt sie Bewegungen organischer Formen, optisch umgekehrte Perspektiven und grell fluoreszierende Wellenstrukturen. Das Ergebnis ist ein amorphes, abstraktes System komplexer Fragmente, die an Lichtreflexe, biomorphe Formen und diffuse, entfremdete Landschaften erinnern. Der Ursprung der biomorphen und amorphen Abstraktion der Bilder sind langjährige Naturbeobachtungen. Claudia Chaselings Arbeit beschäftigt sich mit unsichtbarer Verseuchung toxischen und radioaktiven Ursprungs: von der heutigen nuklearen Kriegsführung in Konfliktgebieten über die Wechselbeziehung zwischen Bergbau, Kernreaktoren und abgereichertem waffenfähigem Uran, bis hin zu Pestiziden und Cyanobakterien (Blaualgen).
Elena AlonsoFernándezs jüngste interdisziplinäre Forschungsarbeit "Portrait of a Kelp Forest" untersucht eines der produktivsten Ökosysteme der Welt: an den Uferzonen der Meere gelegene Kelpwälder, die eine Schlüsselrolle bei der CO2-Speicherung spielen und derzeit weltweit bedroht sind. Dank der Beiträge von Meeresbiologen, Fischern und Seetangsammlern wurden Daten von Unterwassersensoren über die Bewegungen des Kelpwaldes gesammelt und in einer Reihe von Werken umgesetzt. Durch kreative Kodierung wurden diese Daten genutzt, um die Gemälde in der erweiterten Realität zu präsentieren.
Der Animationsfilm "in vivo • in vitro • in silico" von kennedy+swan zeigt eine frenetische Bilderflut aus Wissenschaft und Body Horror und behandelt zu den Klängen des Soundkünstlers Drew Cappotto die ambivalenten Implikationen medizinischer Forschung. Wie jeder vielversprechende Durchbruch in der Wissenschaft wird der Traum einer universellen Problemlösung immer auch von Skepsis und Verschwörungstheorien begleitet. Werden die Menschen ihre Körper artifiziellen Organismen öffnen, die heilen, aber potenziell hackbar sind oder sich unkontrolliert vermehren können?
Michel Lamollerbeschäftigt sich seit geraumer Zeit mit den Erscheinungen des Anthropozäns. Seine Arbeiten zeigen visuelle Darstellungen und bildhafte Metaphern der Auswirkungen der menschlichen Zivilisation auf den Planeten. In seinen neuesten Arbeiten richtet Michel Lamoller sein Augenmerk auf die Biomasse - die Natur. Angesichts der Tatsache, dass bereits 75% der Landfläche durch menschliche Eingriffe verändert wurde, stellt sich die Frage, was noch als Natur bezeichnet werden kann und was Landschaft oder Wildnis ausmacht. Die Betrachter seiner aktuellen Arbeiten werden mit solchen und weiterführenden Fragen konfrontiert.
Die Arbeiten von Jazoo Yang bringen Korea und Brandenburg in einen Dialog. Sie verwendet Seidenverzierungen, die ihre Mutter angefertigt hat, in Kombination mit alten Materialien, die sie in den Straßen von Berlin und Brandenburg gesammelt hat. Die Verwendung von Harz fügt die Erinnerungen an die verschiedenen Orte und Kulturen, zu denen die Künstlerin eine tiefe Verbindung hat, zusammen. Die Einbeziehung der Seidenornamente ihrer Mutter zeigt Jazoo Yangs starke Verbundenheit mit ihren koreanischen Wurzeln und der über Generationen hinweg weitergegebenen Handwerkskunst ihrer Vorfahren. Das Harz wirkt wie ein Konservierungsmittel, das Momente in der Zeit einfriert und die mit den verwendeten Materialien verbundenen Erinnerungen einkapselt.
Mit freundlicher Unterstützung von: Stadt Brandenburg an der Havel, Mittelbrandenburgische Sparkasse, Micromovie GmbH, Potsdam (iPad)